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WR_077_Wissenschaft & Verantwortung _ 6 S.

WR  2007

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Juli 07

WR_077_Wissenschaft & Verantwortung _ 6 S.

:: WR Juli 2007

„In Zukunft – Trau keinem Wissenschaftler!“
Der ‚Zauberlehrling’ Wissenschaft
und die globalen Umweltprobleme – alles außer Kontrolle ?

(Wieder ausgegraben von Dr. Winfried H. Rosowsky)

Dieser Film aus dem Jahre 1992 dürfte wohl kaum noch einmal gesendet werden, denn er enthält viele mutige, ehrliche Aussagen, die man heute lieber verschweigt. Es lohnt sich durchaus, einiges aus diesem alten Beitrag, den ich unerwartet wiederfand, zu zitieren.

So werden hier das Eingangs-Interview mit Prof. Dr. Bernheim Booß-Bavnbek (Universität Roskilde, Dänemark) und das Interview mit Hans-Joachim Rieseberg, der an der Universität Berlin lange über das Thema „Wissenschaft und Klimakatastrophe“ gearbeitet hat, vollständig wiedergegeben; außerdem auch das Gespräch mit Dr. med. Bernd Richter, dem gekündigt wurde, weil er seinem Gewissen folgte. (Abschrift vom Videoband).

Sind Naturwissenschaft und Technik, die gemeinsam die Erde und das Leben auf ihr so ruiniert haben, in der Lage, mit ihren Methoden und Möglichkeiten alles wieder zu „heilen“?

 

Einleitung zum Film: „Das Auto, eine wunderbare Erfindung der Ingenieure! In Jahrzehnten hat es sich millionenfach bewährt. Doch jetzt sind die Folgen für das Erdklima für uns alle zur Bedrohung geworden.

Eine geniale wissenschaftliche Leistung: Die Atomenergie. Doch die Geister, die man rief, wird man nicht mehr los.

FCKW – in den dreißiger Jahren von der Wissenschaft entwickelt – hochgelobt, millionenfach verwendet. Doch dann offenbarten Ozonloch und tödliche UV-Strahlung, was die Wissenschaft nicht gewusst hat.

Klimakatastrophe und Artensterben: Schäden, die die Wissenschaft angerichtet hat! Jetzt sind beim Umweltgipfel in Rio die Politiker dran, den Schaden zu begrenzen.“

 

Prof. Bernheim Booß. Er fürchtet die drohenden Klimaveränderungen. Und er befürchtet, dass die Wissenschaft gar nicht weiß, was da auf uns zukommt:

„Also als Mathematiker kann ich nur sagen: Trau keinen mathematischen Langzeit-Klimavorhersagen! Trau nicht mathematischen Modellen für komplexe Systeme. Trau keinem Wissenschaftler in für dich selbst unüberschaubaren Situationen! Halt’ dich lieber an Deinen Alltagsverstand!

Wenn man so eine Kaffeetasse hat, und wenn da so irgendjemand kommt – also ich muss wirklich ein ekliges Beispiel geben – und hier in diese Tasse reinpinkelt, dann find´ ich das ekelhaft, muss ich sagen. Aber – eigentlich stört’s mich so wahnsinnig nicht, ich schmeiß das einfach weg! Wenn ein anderer aber hingeht und in ein öffentliches Schwimmbad pinkelt, dann ist das in meinen Augen schon ziemlich mehr ekelhaft, weil ich mich dagegen nicht schützen kann. Und tatsächlich sind die Gesundheitsinstanzen von Kopenhagen -- befürchten, dass so etwas täglich geschieht und machen darum die Chlorbeigaben. Aber das Übelste ist doch, wenn unsere ganze natürliche Umwelt, unsere Luft, unsere Gewässer, wenn alles einfach sinnlos verschmutzt wird. Und das ist gerade das, was man am wenigsten merkt.

Aber ich meine, der Alltagsverstand der Leute --- dafür braucht man keine mathematischen Modelle, um das zu sehen, was das ´ne Schweinerei ist, und dass es unnötig ist, diese Umweltverschmutzung fortzusetzen. Und man muss sich das abgewöhnen, darauf zu vertrauen, dass wir bei allem und jedem schon mit Hilfe von Mathematik und Naturwissenschaft ein Gegenmittel finden werden. Das ist ja nicht nur bei dem Treibhauseffekt gerade die Wärme, sondern – worauf ich ja immer wieder und auch die

    

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dänischen Eisforscher ja vor allem und Ozeanographen, die Meeresforscher, aufmerksam machen – es sind ja sehr viele komplizierte Prozesse! Wenn man erst damit anfängt, an dem Klima herumzuschrauben, dann - wir sind kräftig genug, dass wir einzelne Naturprozesse antreiben können oder abstoppen können, aber den gesamten Naturkreislauf  - da haben wir gar keine Chance bei unserem Wissen, da wirklich einzugreifen und die Sache zu beherrschen.

Wir ahnen nicht, was mit dem Golf-Strom passiert, ob es kälter wird oder wärmer wird, wenn plötzlich mehr Verdampfung in bestimmten Meeresteilen --- ob der Golf-Strom plötzlich abgestellt wird und es ausgerechnet hier, wo ich so einen schönen Garten habe und wo es so schön ist in Dänemark -, dass es plötzlich so kalt wird wie in der Arktis, in Nordamerika. Nein, nein! Ich glaube, es ist leichtsinnig, große Eingriffe in unsere Umwelt zu machen und Verhältnisse herbeizuführen, die wir nicht vorhersagen können.“  (Ende des Interviews). - - -

 

● Moderator: „Eine Studie der Böckler-Stiftung ging mir durch den Kopf: Fünfzig Prozent der Wissenschaftler erfüllen ohne Gewissenskonflikt den Auftrag, für den sie bezahlt werden. Doch immerhin jedem zweiten kommen da Fragen, zumeist leise. Und nicht wenige beruhigen ihr schlechtes Gewissen durch heimliche Spenden an Greenpeace. Jeder dritte hofft auf Hilfe vom Staat, auf Richtlinien, die den Forschern Gewissenskonflikte ersparen. Arbeitsverweigerung aus ethischen Gründen -, wer den Mut hat, gehört zu den Ausnahmen.“

 

Dr. med. Bernd Richter: „Wissenschaftliche und industrielle Bereiche sind davon abhängig, dass die einzelnen Mitglieder funktionieren. Und in dem Moment, wo man nicht mehr im gewohnten oder erwarteten Maße mitmacht, wird man vermutlich als Aussteiger klassifiziert oder disqualifiziert und erleidet sozusagen ein Gefühl des Alleinseins.“

● Moderatorin: „1987 – die medizinische Forschung steht kurz vor einem Durchbruch: Ein Anti-Brechmittel ist gefunden, das die Leiden Krebskranker bei der Chemotherapie lindern soll. Ein Forscherteam macht bereits die ersten Versuche an Menschen. Dr. Bernd Richter war der Forschungsleiter: „Im weiteren Verlauf  mussten Kollegen von mir und ich jedoch erfahren, dass dieses Medikament nach Unterlagen und Aussagen unserer Vorgesetzten dazu geeignet und gedacht war, im Nuklearkriegsfall eingesetzt zu werden, um das Erbrechen bei einem verstrahlten Soldaten zu reduzieren und ihn für längere Zeit kampffähig zu halten. Wir haben uns daraufhin in einem Art Reflex gesagt, das können wir mit unserem ärztlichen Gewissen nicht vereinbaren. Wir haben uns also geweigert, uns wurde gekündigt. Wir haben Kündigungs-Schutzklage erhoben, haben den ersten Prozess verloren.

Das Arbeitsgericht damals hatte gesagt, auf das besonders ausgeprägte Gewissen einzelner kommt es nicht an. Wir haben schließlich beim Bundes-Arbeitsgericht in der letzten Instanz Recht bekommen, die gesagt hat, dass prinzipiell die Gewissensentscheidung, das Grundrecht auf Gewissensfreiheit vor dem Arbeitgeber-Direktionsrecht steht.“

● Moderatorin: „Prozess gewonnen, und trotzdem Karriereknick. Dr. Richter arbeitet heute als einfacher wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Uni-Klinik. Herr Richter, im Nachhinein betrachtet: Haben Sie es jemals bereut, den Schritt gegangen zu sein, nein zu sagen?“

● Dr. Richter: „Keinen Moment, weil im Endeffekt – es ist zwar schwierig, so eine Zeit zu durchstehen, aber erst mal trennt man Spreu vom Weizen und verliert vermeintliche Freunde und gewinnt reale; und es stärkt einen letzten Endes, weil man aus so einem Konflikt nicht mit gebrochenem Rückgrat, sondern als aufrechter Mensch herauskommt.“

● Moderatorin: „Warum, glauben Sie, machen es so wenige Leute, nein zu sagen, aufzuhören, nicht mehr mitzumachen – also Leute, Wissenschaftler natürlich?“

● Dr. Richter: „Na, schauen Sie sich um! Wir leben in einem Meer an Flachheit. Und je flacher und niedriger ich mich selbst halte, das heißt je weniger Konflikte ich an mich rankommen lasse, um so besser funktioniere ich, um so reibungsloser läuft alles scheinbar. Ich habe ab und zu ein bisschen Bauchschmerzen vielleicht, ab und zu mal ein schlechtes Gewissen, aber das kann ich damit übertönen, dass ich mich ja existentiell gefährde, dass ich meinen Job verliere, dass ich eine Familie zu versorgen habe -, alles Faktoren, die ich vor anderen Menschen stellen kann. Und ich glaube einfach, dass es eine sehr frühe Geschichte ist, schon ganz früh in der Kindheit, in der Schule, dass Menschen einfach nicht lernen, sich auf Konflikte einzulassen.“

● Moderatorin: „Wenn ich mir damit quasi die Situation der Wissenschaft angucke, dann kann ich von Freiheit der Wissenschaft ja nicht mehr reden, wenn die Wissenschaftler nicht mehr frei sind.“

● Dr. Richter: „Also die Freiheit der Wissenschaft hat sicherlich nie existiert. Das wird zwar gern so verkauft, aber ein Wissenschaftler ist ja ein Mensch wie jeder andere und damit unmittelbar viel mehr erst mal von Finanzgebern abhängig.

 

Ja, wie würde eine Wissenschaft der Zukunft aussehen? Das ist schwierig! Es würde einen anderen Menschen erfordern. Ein Mensch, der abschätzt, dass das, was er macht eventuell für die gesamte Menschheit Folgen haben kann; der, wenn er Kinder hat vielleicht, nicht nur an sich selbst egoistisch, sondern an die Zukunft seiner Kinder denkt und dann viel sensibler sein müsste; und einfach Menschen, die sich diese Lebensfrage immer wieder stellen: Warum mache ich das, warum lebe ich überhaupt, was ist wichtig im Leben?“ - (Ende des Gesprächs mit Dr. med. Bernd Richter). -

 

● Moderator: „Freiheit von Forschung und Lehre – eine selbstverständliche, bei jeder Gelegenheit verteidigte Forderung. Doch bei den Natur- und Ingenieurswissenschaften ist es damit seit langem vorbei. Ca. 85 % der Forscher leben direkt oder indirekt vom großen Geld der Industrie. Und die Industrie will neue Produkte, und sie will Gewinne – was sonst? Fortschritt heißt das, und den wollen wir alle. Auf der Strecke bleibt die Freiheit der Forschung, und dies allzu oft zum Schaden der Umwelt.“ ---

 

Interview mit Hans Joachim Rieseberg, der an der technischen Universität Berlin lange über das Thema „Wissenschaft und Klimakatastrophe“ gearbeitet hat.

● Moderator: „Herr Rieseberg, ein Wissenschaftler, der seine ökologische Verantwortung so wahrnimmt, dass er erst mal im Zweifel seine Arbeit abbricht -, gibt’s so etwas überhaupt, ist das realistisch?“

● Rieseberg: „Ich halte das für vollkommen unwahrscheinlich. Ich versuche Ihnen mal zu schildern, wie heute eigentlich Wissenschaft  funktioniert. Stellen Sie sich bitte ein Rudel Elche vor in Grönland, ein Vertreter kommt an und sagt zu den Elchen: ‚Kann ich Ihnen eine Gasmaske verkaufen?’. Dann sagt der Elch: ‚Brauchen keine Gasmasken, die Luft ist hier gut!’ Der Vertreter kommt also nach zwei Jahren wieder und sagt: ‚Wollen Sie immer noch keine Gasmasken?’. - `Wir brauchen immer noch keine Gasmasken!’. Und in der Zeit wird hinten am Horizont was gebaut, Schornsteine und pi-pa-po. Kommt der Vertreter wieder und sagt: ‚Wollen Sie jetzt Gasmasken haben?’ Da sagt der Elch: ‚Ja, wir wollen eigentlich Gasmasken haben, die Luft ist hier so schlecht geworden!`, - ‚Na gut’, sagt er, ‚hier haben Sie Gasmasken!’. Und dann fragt der Elch den Vertreter: ‚Sagen Sie mal, was wird denn da hinten gebaut?’. Da sagt er: ‚Das ist ´ne Firma für Gasmaskenherstellung.’ Und das ist eigentlich unsere heutige Wissenschaft.“

 

● Moderator. „Da gibt es andere Wissenschaftler, die die ökologische Bedrohung genauso wahrnehmen, aber sozusagen direkt dann Lösungen anbieten.“

● Rieseberg: „Ja, das ist im Grunde die Genforschung. Ich kann Ihnen eigentlich da ein interessantes Zitat bringen: ‚Der neue Mensch – sagen wir in 25 oder 30 Jahren – wird sich sicher von mir und Ihnen sehr unterscheiden.’ Und dann geht das so weiter, er beschreibt  dann: ‚Wir werden einen neuen Menschen schaffen mit Hilfe der Biochemie’ – das ist ein Brief an einen Freund von mir, wo ein Bekannter, ein amerikanischer Biochemiker sagt, welche Lösungen er sich für unsere Umweltprobleme vorstellt. Neben dem neuen Menschen wird dann wahrscheinlich die neue Pflanze, das neue Tier, die neue Atmosphäre und das neue Wasser geschaffen werden. Das ist so ungefähr -, sind die Aussichten, die Wissenschaft in ihrer extremsten Form für sich uns heute ausdenkt.“

    

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● Moderator: „Und der biochemisch manipulierte neue Mensch hat also mit all dem gar keine Probleme mehr, passt sozusagen in diese künstliche Welt.“

● Rieseberg: „Der passt in diese künstliche Welt. ...“

 

● Moderator: „Sie waren an der TU, Sie haben jahrelang mit Wissenschaftlern zu tun gehabt, selbst darin gelebt, ist das typisch oder ist das ein sehr extremes Beispiel?“

● Rieseberg: „Ich glaube, das ist schon typisch. Nur das Problem ist, dass in dieser Direktheit, wie das hier steht, das niemand erfährt. Das sind Sprachen, die Wissenschaftler untereinander sprechen, und Sprachen, wo wir, die normalen Bürger, eigentlich schon nichts mehr mit zu tun haben. Hier schwingt sich die Wissenschaft  zu etwas auf, was ich hier irgendwann schon einmal so genannt habe: Sie wird zu einer neuen Religion!“

 

● Moderator: „Jetzt erwarten natürlich die Menschen – es ist vieles kaputt gegangen – die Hilfe jetzt wieder nur von den Wissenschaftlern, dass die das dann auch wieder reparieren. Von wem sonst?“

● Rieseberg: „Ich will Ihnen da ein Beispiel geben. Ich hab´ vor einigen Jahren mal was geschrieben. Sie müssen sich das so vorstellen: Sie sitzen in einem Garten, im Juni, es ist Sommer --- (Gezeigt wird im Film, wie eine große Familie im Garten an der Kaffeetafel sitzt und Kuchen isst. ...).

Sie haben so ein etwas angegammeltes Häuschen, das ganze ist so ein Idyll, ... die Oma ist dabei, die Kinder. Und plötzlich kommen so in etwa vier fünf Leute rein, weiß gekleidet, fangen an in Ihrem Garten mit irgendwelchen Sägen rumzuarbeiten. Einer erklärt Ihnen etwas abgehackt, sie wohnen in einem wissenschaftlichen Sanierungsgebiet, und sie erfüllen einen höheren Auftrag. (Im Film: „Sie spritzen richtig ab, und Sie sägen immer!“. Es wird Gift gespritzt, Bäume und Sträucher werden abgesägt; der Boden wird umgepflügt; der schöne Garten wird völlig platt gemacht!)

Als die vier oder fünf weg sind, gleicht Ihr Garten einem totalen Trümmerhaufen! Sie krabbeln das alles ein bisschen zusammen, versuchen sich da von dem Schock zu erholen -, und in dem Moment kommt eine neue Truppe herein, schwarz gekleidet, und erklärt, sie seien die Wissenschaftler, sie wollten den Schaden, den sie angerichtet hätten, wieder gut machen.

Würden Sie diesen Leuten Ihren Garten wieder anvertrauen?

 

● Moderator: „Aber andererseits hat ja eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung gezeigt, dass ein Drittel der Wissenschaftler nun ihrerseits auf die Politiker warten und auf Vorgaben von den Politikern.“

● Rieseberg: „Aber das ist typisch für diese Art von Wissenschaft. Sie versucht sich aus der Verantwortung herauszustehlen. Zuerst sagt sie den Politikern, was sie zu machen haben, und dann sagt sie wiederum: ‚Wir haben soviel an Schaden angerichtet, dass wir jetzt von den Politikern erwarten, nun sagt ihr, was wir zu tun haben. Das heißt -, fast würde ich das so formulieren: Die Wissenschaft schafft sich schon selbst einen Typus von Politikern. Das heißt, auch dort wird es ein Selbstbedienungsladen..“ ... ... --- (Es folgt Atomenergie ....) ---

● Moderatorin: „Die Naturwissenschaft hat beim Versuch, die von ihr verursachten  Schäden zu beheben, oft noch mehr Schaden angerichtet. Wie kann sie wieder zurück in den Dienst für die Natur und für den Menschen geführt werden?“ - ● Lothar Hahn, Öko-Institut. Darmstadt:

„Ja, ich trau´ mich fast nicht das zu sagen! Aber eine moralisch-ethische Begründung für das, was man tut, das fehlt einfach! Und es wird gesteuert durch bestimmte Antriebsfedern, Macht, Kapital, Verbrauch, Konsum, Wachstum – und das ging zurück zu Lasten natürlich auch der Natur, der Umwelt, der Ressourcen, ohne dass irgendein Regulativ da ist, es sei denn, irgendwann mal ist eine Katastrophe da, die einen zum Umdenken zwingt.“ ---

 

● Sprecherin: “Einigen Wissenschaftlern reicht die Katastrophe schon heute. Sie haben die globale Verantwortung als Herausforderung für die Zukunft erkannt. Sie gründeten letztes Jahr das Internationale Netzwerk von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern, die in Zukunft die menschlichen Grundbedürfnisse und die Erhaltung der Umwelt ernst nehmen wollen.“  ---

 

Schluss-Interview.

● Moderator: „Herr Rieseberg, eigentlich laufen alle drei, Hannover, Öko-Institut Darmstadt und das Internationale Netzwerk auf den gleichen Vorschlag hinaus:

Nämlich wir brauchen für die Zukunft unabhängige Wissenschaftler, die sich sozusagen eine ethische Selbstverpflichtung auferlegen und ihr Gewissen befragen, ihrem Gewissen folgen. Ist das ein Weg in die Zukunft?“

● Rieseberg: „Die ethische Selbstverpflichtung hätten wir eigentlich schon haben können, das hat schon Kant gesagt, dass wir die brauchen. Wir sind aber inzwischen - glaube ich - schon 300 Jahre weiter, und wir stehen im Grunde am Rande einer Katastrophe. Ich kann mir einfach nicht mehr vorstellen, wie man nur mit ethischer Selbstverpflichtung diese Katastrophe noch verhindern kann.“

● Moderator: „Nun sagen Wissenschaftler wie Ulrich Beck, das einzige, das heute überzeugt, ist das Geld. Und wenn man da Haftpflichtversicherung macht für Umweltschäden wie bei den Autos zum Beispiel, dann wird sich das die Industrie mit ihren Produkten und auch die Technologen, die Wissenschaftler -, werden sich das dann überlegen, wenn’s richtig teuer wird, wenn sie Umweltschäden machen.“

● Rieseberg: „Das ist dieser Versicherungstrick, dass man sagt: Könnt ihr das, was ihr im Augenblick produziert, überhaupt noch versichern? Das kann aber, nach dem, was wir bisher wissen über und den Zustand unserer Welt, die Katastrophe nicht mehr aufhalten, sondern allenfalls noch mildern. Und sonst nichts.

 

Es gibt kaum Leute, die weniger Moral und Ethik in sich vereinen wie Wissenschaftler selbst. Sie tun allerdings eins: Sie tragen sie ununterbrochen vor sich her und verdrängen sie in dem Moment, wo sie in den Instituten sitzen. Da wäre natürlich die Frage: Warum tun sie das eigentlich?“ 

 

● Moderator: „Ja, und wie appellieren Sie an die Wissenschaft für die Zukunft, sehen Sie da noch eine Rolle? Was ist Ihre Forderung?“.  ● Rieseberg:

 

„Nein! Also ich kann wirklich nach den gesamten Erfahrungen, die wir eigentlich gemacht haben -, können wir eigentlich heute in unsere Wissenschaft, wie wir sie heute haben, also wirklich nicht einen Fatz von Hoffnung mehr setzen, sondern ganz im Gegenteil. Das einzige, was man hoffen könnte: Dass die Wissenschaft erkennt, was sie eigentlich gemacht hat, und auch erkennt, dass sie keine Mittel hat, um das, was sie angerichtet hat, wirklich wieder geradezubiegen. 

    

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Ich kann Ihnen da auch ein ganz aktuelles Beispiel sagen. Nach diesem Tanker-Unglück in Alaska – Sie wissen, welches ich meine – (Moderator: „Exxon Valdez“), da haben Wissenschaftler die Küste gereinigt mit viel Chemie und viel Tamtam -, und einen Teil der Küste, das haben sie nicht geschafft -, hat dann die Natur gereinigt. Und das Ergebnis war sehr einfach: Das, was die Natur gemacht hat, war unverhältnismäßig viel besser als das, was Wissenschaftler gemacht haben. Das heißt, wenn sie einmal einen Fehler gemacht haben, dann machen sie ihn auch konsequent zuende.

 

Das würde aber bedeuten, dass wir eine neue Wissenschaft bekommen, die genau das tut, was sie mal ursprünglich getan hat: Wissenschaft ist Spiel, Wissenschaft ist Beschreibung und nicht zur Anwendung geeignet.“

 

● Moderator: „Sie kommen im Grunde am Ende der Sendung zum gleichen Schluss wie Prof. Grooß, mit dem wir diese Sendung angefangen haben: Trau keinem Wissenschaftler, verlass dich lieber auf deinen Alltagsverstand! Sehen Sie das so?“

 

Rieseberg: „Ja! Im Grunde müsste man sie eigentlich entlassen. Man müsste ihnen das Geld wegnehmen. Ich bin auch inzwischen dafür, dass wir die Universitäten auflösen. Das wäre eigentlich die wirkliche Konsequenz daraus.“ -

 

● Moderator: „Beim Umweltgipfel in Rio wird diese Konsequenz wohl kaum gesehen, denn auch hier sind es wieder die Wissenschaftler, die die Politik beraten. Zunächst sind die Politiker gefordert, den Schaden, den Wissenschaft angerichtet hat, unter Kontrolle zu bringen. Demokratische  Kontrolle der Forschung selbst und ihrer industriellen Auftraggeber - das ist die Zukunftsaufgabe, die ja auch Wissenschaftler einklagen.“

 

(Mönchengladbach, 25. Juli 2007)

* * * * * * * * * *

(Anmerkung: S. auch das Buch „Das Ende des naturwissenschaftlichen Zeitalters“ von Prof. Dr. Herbert Pietschmann, Professor für theoretische Physik).

[ zu einem vorherigen Aufsatz von WR ]