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Die sieben Worte Jesu Christi am Kreuz
Antonia Großheim, Graz 1863 
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Die sieben Worte Jesu Christi am Kreuz
Antonia Großheim, Graz 1863

Als die freche Rotte Mich Meiner Kleider beraubt hatte und Mir, so entblößt, Hände und Füße an der Holz band und zum Überfluss dieselben noch mit stumpfen Nägeln durchstach, da geschah es, dass Ich in Meinem gequälten Flei-sche aufseufzte und sprach:

„Herr, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun!“

Das war das erste bedeutungsvolle Wort, welches Ich im Hinblick auf die damalige und die künftige Menschheit und ihre Sünden in Meinem Schmerz gesprochen.

Als Ich sodann am Kreuze aufgerichtet wurde, da sah Meine Leib, von Blut und Staub bedeckt, so erbarmungswürdig aus, dass selbst den umstehenden Feinden das Herz bewegt wurde. Ich aber sah, dass es nur eine vorübergehende Anwandlung war und ihre Erbarmung nicht Mir, sondern ihrem Schönheitsgefühle galt. Deshalb sprach Ich:

„Mich dürstet!“

Allein die Schergen verstanden nicht, was Ich mit diesen Worten meinte, nämlich dass Mich um das Heil so vieler Seelen dürstete, welche Ich in ihrem Wahn zugrunde gehen sah. Und so gaben sie Mir, um Mich noch mehr zu quälen, Galle mit Essig vermengt zum Trinken, was Ich aber verschmähte.

Alsbald begann die ganze Natur zu beben, und die Elemente traten aus ihrer Ordnung. Die Sonne, als Vorbild des ewigen Lichtes, verlor ihren Glanz, zum Zeichen, dass die Menschen in ihrer geistigen Blindheit nicht sahen, dass sich die Gottheit unter der sterblichen Hülle Meine Leibes zurückdrängte und den Leib dem materiellen Tod übergab. Deshalb sprach Ich die Worte:

„Mein Gott, Mein Gott, warum hast du Mich verlassen!“

Nicht ein anderer Gott außer Mir war es, zu dem Ich rief, sondern die Gottheit in Mir, Gottes Geist und Urkraft in ihrem Vollmaß. Nur Meine Leibeshülle war ja wie bei den Menschenkindern aus Erdenstoffe genommen. Und diese musste auch in Mir dem Schmerz und dem Tod untertänig sein. Deshalb suchte die Materie in ihrer Verlassenheit Hilfe – zum Vorbild, dass jeder Erdenmensch Hilfe allein bei Gott suchen soll.

Die Zeit nahte heran, da Ich, Mich immer schwächer fühlend, die Seele Meinem himmlischen Vater überantwortete – da sah Ich unter dem Kreuz Meine Mir so liebe und treue Mutter Maria nebst Meinem Jünger Johannes, welcher zugleich Mein Geheimschreiber gewesen, zu Tode betrübt stehen und sprach zu beiden die bedeutungsvollen Worte:

„Maria, siehe dein Sohn!“ – und zu Johannes: „Siehe deine Mutter!“

Mit diesen Worten deutete Ich an, dass Ich gleichsam Mein geistiges Testament machte, die Weltkinder dem Gottes-geist übergeben und Maria zur Mutter der schwachen und kranken Seelen im Fleische berufen habe.

Als es nach biblischer Zeitrechnung 3 Uhr geworden war, war die Zeit Meines Leibestodes herangekommen, und Ich erzitterte in Meinem Gebein in Todesschauer. In solchem Augenblick sah Ich neben Mir den mit Mir zugleich an das Kreuz gebundenen Verbrecher Dismas, welcher seine Augen in Sehnsucht nach Mir wandte, in Gnaden an und ver-sprach ihm,

dass er heute noch bei Mir im Paradiese sein werde.



Nach Meiner Auffahrt hat dieses Wort bis auf den heutigen Tag zu vielen Auslegungen Anlass gegeben. Die allein wahre ist diese, dass jede Menschenseele nach ihrem Leibestod je nach ihrer Vollkommenheit in einen niederen oder höheren Grad des Lichtes gelangt, und dass selbst Seelen, welche alles Irdische schon diesseits abgebüßt haben, zuerst nur in das Paradies oder in den niederen Grad der Seligkeit gelangen können. Denn keine Seele kann, bevor sie ganz geläutert und gereinigt ist, in den Liebe-Himmel zur höchsten Seligkeit eingehen. So hatte auch Dismas durch die Liebe und das Vertrauen zu Mir den ersten Grad erreicht und es war möglich, ihm das Paradies zu verhei-ßen.

Ich war schon in den Todeszügen, als Ich die Worte sprach:

„Vater, in Deine Hände empfehle Ich Meinen Geist!“

Dies ist ebenfalls ein schwer zu deutendes Wort für viele Menschen. Denn weshalb sollte Ich, Gott selbst, Meinen Geist in die Hände eines Gottes außer Mir empfehlen! Da würden ja zwei Götter in die Erscheinung treten! – Allein dem ist nicht so, und es soll sich niemand irreführen lassen durch diesen Ausspruch. Vielmehr verstehe jedermann, dass nur die äußerste (seelische) Umhüllung Meines inneren Gottgeistes diese Worte sprach, und solche also nur in eben dem gleichen Sinne zu verstehen sind, wie Ich bei Meinem Leibeslebzeiten von Mir sagte: >Ich, des Menschen Sohn sage euch dieses oder jenes. < Ganz ebenso sprach am Kreuz die seelische Lebenskraft Meines irdischen Lei-bes die Worte: „Vater, in Deine Hände empfehle Ich Meinen Geist.“

Sobald sich die Seele nun drängte, den Leib zu verlassen, wurde Ich immer schwächer. Und das umstehende Volk frohlockte und spottete Meiner. Doch Ich musste den Kelch bis zur Neige leeren und sah auch voraus, dass die to-bende Menge von Meinem Schmerz und Todeskampf ungerührt bleiben werde. Und so denn, als schon der letzte Augenblick Meines irdischen Lebens gekommen war, sprach Ich das letzte Wort auf Erden:

„Es ist vollbracht!“


O Menschen, wenn ihr imstande wäret, dieses einzige Wort so recht von Grund aus zu verstehen! Wenn ihr voll be-greifen könntet, was es heißt, dass Gottes Sohn das große Werk der Erlösung des ganzen Menschengeschlechtes vollbrachte – dann würde keine Seele zugrunde gehen! Doch die Sünde ist durch Adam in die Welt gekommen, und deshalb wird, solange noch eine gefestete Materie den Weg des Fleisches durchs irdische Leben gehen muss, die Sünde und der materielle Tod der Anteil der Menschenkinder sein. Und es wurde denn auch die Kraft des Bösen und der Satan in der Materie durch Gottes Sohn und sein Mittleramt nicht völlig beseitigt, sondern nur gebrochen.
Für jede Seele heißt es also nun, durch Glauben und Liebe auf der eröffneten Bahn dem Mittler in aller Demut und mit voller Tatkraft nachzufolgen. So wird dann das Werk der Erlösung auch für dich, Menschenkind, vollbracht wer-den!

Auf dieses Mein letztes Wort verschied Ich, oder vielmehr, Meine Seele trat aus der Materie und vereinte sich mit Meinem Urgeiste, welcher der ewige Gottesgeist war.
Und Ich stieg hinab in dem Ort, wo die Seelen der Urväter der Stunde der Erlösung harrten. Denn keine Geschöpf konnte, bevor die Gerechtigkeit Gottes durch das große Liebeswerk der Erlösung versöhnt war, in den Frieden der Himmel eingehen. Ich machte also wieder frei die Bahn, welche ursprünglich allen Wesen frei gegeben, einst aber durch den Abfall der Engel abgebrochen worden war.

Adam hätte diesen Pfad wieder errichten und die in Erstarrung getretene Materie, welche alle geistige Leben um-hüllte, zu ihrem Ursprung zurückführen sollen, wozu ihm der Wille freigegeben war. Aber er verlor die Freiheit wie-der durch die Sünde des Ungehorsams gegen Gott und verfiel nebst allen Nachkommen immer tiefer in das Gericht des Todes..... Da trat die unendliche Erbarmung und Liebe des Urewigen ins Mittel, um, als Menschensohn in Erdstoff gehüllt, seine Geschöpfe frei zu machen und sie zurückzuführen zu ihrer ersten und ewigen Bestimmung.



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